Wittgenstein Landschaft

Landschaften, oder: „Das Leben ist nirgends leicht“

 

„Das Leben ist nirgends leicht.“ – Diesen Satz schrieb Wittgenstein im Juli 1923 an seinen Freund, den Mittelschullehrer Ludwig Hänsel (1886–1959).

Wenn wir uns den Menschen Ludwig Wittgenstein in einer realen Landschaft vorstellen, dann sind es deren drei, die uns unmittelbar vor Augen treten: der norwegische Sognefjord mit seinen Flüssen und Nebengewässern: Wittgenstein baute sich dort am Wasser, über dem Eidsvatnet See, auf einer steil abfallenden, schier unzugänglichen Anhöhe ein Blockhaus. Eine andere Wittgenstein-Landschaft sind die einsamen Küsten Irlands. Und drittens ist da noch die „Bucklige Welt“, das Wechselgebiet und das Gebiet um den Schneeberg, wo Wittgenstein von 1920 an sechs Jahre als Volksschullehrer unterrichtete.

In einem berühmten Zitat aus den Schriften John Donnes aus dem 17. Jahrhundert heißt es: „Niemand ist eine Insel, in sich ganz; jeder Mensch ist ein Stück des Kontinents.“ Betrachten wir das Leben Wittgensteins als Volksschullehrer in Trattenbach, Puchberg und Otterthal, dann könnten wir sehr wohl den Eindruck gewinnen, dass er versuchte, eine solche Insel zu sein.

Seinen Kollegen und Mitmenschen erschien er bestimmt wie eine Insel: ein Vornehmer unter den Armen, ein Gelehrter unter den Bauern und Arbeitern, einer, der nie Mundart sprach, am Abend nicht ins Wirtshaus und kaum in die Kirche ging, sich nicht wie ein Lehrer kleidete, nicht grüßte – kurz, und wahrscheinlich wohlwollend gemeint, einer, der auf die Leute „einen kuriosen Eindruck machte“, wie die Zeitzeugin Johanna Berger berichtete.

Zu den Plätzen in Niederösterreich, für die Wittgenstein ein genius loci geworden ist, solle man sich wie auf eine Pilgerreise begeben, heißt es. „Wandern mit Wittgenstein“, „Ludwig Wittgenstein: Vom Genie zum Dorfschullehrer“, „Askese in der Buckligen Welt“, „Wittgenstein-Kult in Trattenbach“, „Waschtisch des Philosophen“, „Wittgensteins Lavoir“ (auch ein Mythos: Wittgenstein hat sich nie darin gewaschen), „Vielleicht haben Sie im Urlaub Zeit, ein wenig zu philosophieren?“ und „Von Wittgenstein zur Sommerrodelbahn“ heißt es in verschiedenen Publikationen. In der ersten, nicht mehr existenten Wittgenstein-Dokumentation in Kirchberg am Wechsel findet man „Dokumente aus dem Leben eines genialen, einsamen Mannes“.

Was macht diese Landschaft zu einer „Wittgenstein-Landschaft“?

(Texte von Elisabeth Leinfellner, aus dem Buch „Ludwig Wittgenstein“ – Ein Volksschullehrer in Niederösterreich.)
(Foto: Blick auf den Hochwechsel | © Christian Kremsl)

 

Trattenbach 1920-1922

Puchberg 1922-1924

Otterthal 1924-1926

Kirchberg am Wechsel